Wie hast du zuletzt deine neue Lieblingsband entdeckt? Auf Instagram, YouTube, Spotify? Mal wieder Radio gehört? Hat dir jemand aus deinem Umfeld einen Song gezeigt? Oder bist du zufällig bei einem Festival etwas länger stehen geblieben? Es gibt unzählige Möglichkeiten, an neue Musik zu kommen. Aber am schönsten ist es, Musiker:innen live kennenzulernen.
Letzthin ist mir was bewusst geworden. Als ich in einem Gruppenchat gefragt habe, ob wer an ein Konzert mitkommen will, war die erste Antwort: «Weiss nicht, von der Band habe ich noch nie gehört.» Viele meiner Freund:innen trauen sich nicht mehr an Konzerte von Künstler:innen, von denen sie noch nichts gehört haben. Die Hemmschwelle dazu scheint aktuell grösser zu sein.
Aber ist das wirklich so? Der Sommer beweist das Gegenteil: Viele besuchen seit Jahren dieselben Festivals, egal, wie das Line Up aussieht. Unbekannte Bands sind an vielen Festivals an der Tagesordnung. Liegt es denn nur an den Sonnenstrahlen, dass das Publikum da neugierig zuhört?
Live-Musik sorgt für Emotionen
PETZI, der Verband Schweizer Musikclubs und Festivals setzt sich seit 1996 für die Live-Musik-Kultur ein. Über 200 Musikclubs und Festivals, darunter auch das KIFF, aus 21 Kantonen sind beim Dachverband dabei. Auf ihrem Instagram-Account berichtet der Verband immer wieder über das Treiben in der Branche und die Forschung dazu.
Eine Studie der Universität Zürich ist mir dabei besonders aufgefallen. Untersucht wurde die emotionale Verarbeitung von Live-Musik und aufgezeichneter Musik im menschlichen Gehirn. Tatsächlich hat sie einen Unterschied zwischen Live-Musik und aufgezeichneter Musik gefunden. Live-Musik soll tatsächlich eine stärkere emotionale Reaktion im Gehirn auslösen, als aufgezeichnete. Der springende Punkt dabei ist das soziale Erlebnis von Live-Musik, die sich durch Aufzeichnungen nicht ersetzen lässt.
Obwohl die Wissenschaft das Gänsehaut-Feeling der Live-Musik beweist, schlägt sich das in vielen Clubs nicht auf die Ticketverkäufe um. Darunter leiden besonders Newcomer:innen, die sich noch einen Namen in der Branche machen möchten. Wenn Menschen weniger Konzerte von unbekannten Bands besuchen, hat das auch Folgen für die Musikszene. Clubs und Festivals trauen sich aufgrund der Einnahmen weniger, Risiken bei Künstler:innen einzugehen. Damit gibt es mehr Konzerte von bekannten Bands, die teurer zu veranstalten sind. Und wenn folglich die Ticketpreise steigen, können sich weniger Leute leisten, an Konzerte zu gehen. Ein klassischer Teufelskreis also.
Ganz ohne Erwartungen
Dabei habe ich durch Live-Musik Bands und Musikgenres entdeckt, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie mir gefallen. Ob Folk in einer Kirche, Noise-Rock in einem Keller oder Experimental-Set in einer Lagerhalle – weil es live war, konnte ich mich besser darauf einlassen. Wenn Musiker:innen direkt vor mir spielen, dann höre ich ihnen ganz anders zu.
An ein Konzert einer unbekannten Band zu gehen, ist eine Wundertüte. Ohne Erwartungen wohin zu gehen, lässt auch den Druck von einem Konzerterlebnis abfallen. Es kann sein, dass du dich nach zehn Minuten fragst, warum du vor dieser Bühne gelandet bist. Auch möglich: die Musik zieht dich in ihren Bann und begleitet dich ein Leben lang. Oder du hattest einen guten Abend mit Freund:innen, neuen Bekanntschaften und Erfahrungen, die du nirgendwo sonst hättest machen können.
Und wer weiss: vielleicht erzählst du ja in ein paar Jahren, die grösste Band des 21. Jahrhunderts mal in Aarau gesehen zu haben.